Am Dienstag, den 27.9.2016 war es wieder einmal so weit, dass das Cecilien-Gymnasium einen Zeitzeugen in der Aula begrüßen durfte. Unser Gast kam dieses Mal aus Japan: Herr Kazumi Yamada hat als 12-Jähriger den Atombombenabwurf auf die japanische Stadt Nagasaki überlebt und berichtete darüber in der Aula, die bis fast auf den letzten Platz gefüllt war. Die ca. 400 Schülerinnen und Schüler der Stufen 9-12 erhielten zunächst eine kurze Einführung in den historischen Hintergrund und sahen zudem einen kurzen Ausschnitt aus dem Anime-Film „Barfuß durch Hiroshima“, der den Anwesenden die grausamen Auswirkungen des Atombombenabwurfs am Ende des Zweiten Weltkriegs verdeutlichte.
Danach berichtete Herr Yamada sehr anschaulich, wie er den Tag des Bombenabwurfs auf Nagasaki am 9.8.1945 er- und überlebt hatte. Schnell wurde deutlich, dass es viel Glück war, das ihn überleben ließ: er war weit genug vom Abwurfpunkt der Bombe entfernt, um überhaupt eine Überlebenschance zu haben. Zudem hatte er sich just an dem Tag mit seinem Freund gestritten und war nicht mit ihm und anderen Kindern schwimmen gegangen, sondern trug stattdessen Zeitungen aus. Zum Zeitpunkt des Abwurfs stand er zudem zufällig hinter einem Felsblock, der ihn vor der Strahlung und Hitze der Detonation schützte. Sein Freund hatte nicht so viel Glück. Im Wasser des Flusses wurde er schwer von den Folgen der Explosion getroffen und starb wenige Tage später. Herr Yamada und seine Familie hingegen überlebten die Katastrophe. In den ersten Tagen suchten sie, da ihr Wohnhaus zerstört worden war, in einem Luftschutzbunker Zuflucht. Danach halfen sie beim Wiederaufbau der Stadt mit, Herr Yamada ging auch wieder zur Schule.
Im Anschluss an den beeindruckenden Bericht von Herrn Yamada hatten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit, Fragen an den Zeitzeugen zu richten, wovon sie auch intensiv Gebrauch machten. Besonders interessierte sie das weitere Leben von Herrn Yamada nach der Katastrophe. Er erzählte den Anwesenden, dass er die Stadt Nagasaki nicht verlassen und sein ganzes weiteres Leben dort verbracht hat. Er heiratete, hat drei Kinder und drei Enkelkinder, die zum Glück alle gesund sind.
Zum Abschluss seines Besuchs trug Herr Yamada auf traditionelle Art einige kurze japanische Gedichte vor, die ein anderer Überlebender, Atsuyuki Matsuo, wenige Tage nach der Katastrophe verfasst hat, um seinen Schmerz, seine Wut und Trauer über den Verlust seiner Frau und seiner vier von sechs Kindern auszudrücken. Mit klarer, fester Stimme sang Herr Yamada diese Gedichte – eine sehr ergreifende Situation, die Herr Yamadas Anliegen, nämlich die Schrecken der Atomkraft nicht zu vergessen, noch einmal eindringlich unterstrich.
Wir sind sehr froh, dass Herr Yamada und seine Begleiter den langen Weg von Japan auf sich genommen haben, um uns die Möglichkeit zu dieser anschaulichen und eindringlichen Auseinandersetzung mit dem Thema zu geben. Auch der japanische Generalkonsul, Herr Mizuuchi, ließ es sich nicht nehmen, dem Cecilien-Gymnasium zu dieser Gelegenheit einen Besuch abzustatten.
Einen herzlichen Dank an alle, die zum Gelingen dieses Besuchs beigetragen haben, insbesondere an Frau Dr. Saito-Theuerzeit und Frau Shimizu-Bethe für ihre Dolmetschtätigkeit während der Veranstaltung!
Corinna Weber
Hier noch eines der Gedichte, die Herr Yamada vorgetragen hat
(Übersetzung: Dr. Stanislava Saito-Theuerzeit):
12. August 1945 Am frühen Morgen sammle ich die Knochen
Morgennebel, die Knochen beider Jungen dicht an einander,
herzzerreißende Knochen wie Blütenblättchen, nur sieben Monate alt geworden.
Aus: Atsuyuki Matsuo: „Nagasaki“, Erstveröffentlichung 1955 (aufgrund des Press Code der US-Amerikanischen Militärbesatzung konnte die Gedichtsammlung nicht früher veröffentlicht werden).
十二日 早暁骨を拾う
あさぎり、兄弟よりそうた形の骨で
あわれ七ヶ月の命の花びらのような骨かな