Die diesjährige Europafahrt des Cecilien-Gymnasiums, an der 25 interessierte Schüler*innen der Q1 teilnahmen, ermöglichte uns Brüssel unter dem Thema „Die EU zwischen Vertiefung und nationalstaatlicher Rückbesinnung“ zu erleben und für drei Tage Teil des Alltags der verschiedenen EU-Institutionen zu sein.
Am Montag, den 17.Juni, erreichten wir die Hauptstadt Belgiens und starteten nach einer kleinen Mittagspause sofort den ersten Seminartag mit einem Informationstermin im Auslandsstudio der ARD. Dort machte uns der Redakteur Ralph Sina bewusst, dass wir Brüssel in einer Situation extremer Herausforderungen besuchten. Nicht nur in den beiden großen Themen internationale ökonomische Konkurrenz und Klimaschutz stehen die Institutionen in einem Meer aus Unsicherheit, sondern auch bei der Lösung der Personalfragen in allen höchsten Positionen. Eins sei jedoch gewiss, die EU sei der einzige Weg, alleine können die Staaten heute nichts mehr ausrichten. Mit Fragen über die Zukunft Europas in unseren Köpfen, ging es weiter mit einer historischen Stadtführung.
Vorbei an vollbesetzten Restaurants und Bars, kleinen Boutiquen, Schokoladenläden und Überesten der alten Stadtmauer lernten wir ganz andere Seiten der EU-Hochburg Brüssel kennen und wunderten uns mehr als einmal über die schiefen Türmchen am vergoldeten Marktplatz und das Manneken Pis, das noch heute für Meinungsfreiheit und demokratische Werte steht. Unsere Tour endete auf dem Kunstberg mit einem atemberaubenden Blick auf die Unterstadt Brüssels.
Am Dienstag starteten wir den Tag in der Europäischen Kommission und dort wurden wir über die fünf wichtigsten Institutionen der EU und ihre Zusammenhänge aufgeklärt. Das System ist zwar nicht ganz einfach, tatsächlich aber nicht ganz so kompliziert, wie viele das vermutet haben, und – trotz mancher Kritik – eine praktikable Möglichkeit, die Zusammenarbeit in der Europäischen Union zu gewährleisten. Egal ob es um Themen wie Energie, Umwelt, Justiz und Verbrauch oder Forschung und Innovation geht, die EU-Kommission ist in jedem Bereich engagiert und beschäftigt über 40,000 Mitarbeiter.
Weiter ging es für uns im Haus der Europäischen Geschichte und im Parlamentarium. Diese Museen boten beide Einblicke in die Entstehung der Europäischen Union. Dass einzelne Staaten sich zu einer Wirtschaftsunion zusammenschlossen und dadurch das größte Friedensprojekt aller Zeiten entstand, ist Zeichen für die Besinnung auf die Gemeinschaft anstatt auf die Interessen einzelner Staaten. Nicht zu Unrecht ist daher der EU im Jahr 2012 der Friedensnobelpreis verliehen worden. Im Haus der Europäischen Geschichte auf sechs Etagen verteilt und im Parlamentarium in einem einzigen lange Zeitstrahl aufgebaut wurde uns die Wichtigkeit und Einzigartig der EU mit Hilfe neuester Technik und außergewöhnlicher Exponate vermittelt. Dafür reichten die zwei Stunden jeweils kaum aus.
Ein Zwischenstopp in der Friedrich Ebert Stiftung rundete den Dienstag zu einem diskussionsreichen und interessanten Seminartag ab.
Das Europäische Parlament und den Europäischen Rat besuchten wir an unserem letzten Tag. Wir bekamen eine Führung durch das Parlament und den Plenarsaal, in dem die Parlamentarier für 500 Million EU-Bürger über Gesetzesvorschläge der Kommission abstimmen könnten, was sie jedoch in der Regel in Straßburg machen. Des Weiteren wurde uns vermittelt, wie wichtig Dolmetscher für den Alltag im Parlament sind, die mit keinen zwei Sekunden Zeitverzögerung Vorträge in die 24 Amtsprachen übersetzen. Vom Parlament aus wurde uns zudem die Möglichkeit geboten, kostenlos Postkarten an Freunde und Familie oder vielleicht an uns selbst zu schicken, in denen wir über unsere Erlebnisse und Erleuchtungen erzählen konnten.
Im Europäischen Rat konnte anschließend jeder von uns die Rolle und den Platz eines Regierungschefs oder -vertreters eines der Mitgliedstaaten einnehmen, die dort über die Zielvorstellungen und Prioritäten mit einstimmiger Mehrheit entscheiden. Dies ist zwar wie vieles in der EU ein wenig langwierig, aber ein Weg, um möglichst breite Akzeptanz unter den verschiedenen europäischen Staaten zu erreichen, und ein Grund dafür, weshalb die EU schon so lange existiert. Der Referent im Europäischen Rat kam gar nicht richtig zur Vorstellung seiner Präsentation, da er immer wieder durch unsere Fragen zu Themen wie der Besetzung der Spitzenpositionen und der Zukunft Europas nach der Europawahl unterbrochen wurde.
Brüssel ist eine der vielfältigsten Städte Europas, die Altes mit Neuem vermischt und in der Menschen aus allen Teilen der Welt zusammentreffen. Das geschäftige Treiben in der Oberstadt regte uns dazu an, selbst in der EU mitzuwirken und die Sorglosigkeit in der Unterstadt sorgte an den gemeinsamen Abenden für Entspannung und Unterhaltung.
Die Besuche in den Organen der EU boten alle interessante Einblicke in die Geschichte und Politik und stellten klar, dass die europäische Integration trotz ihrer Herausforderung die einzige Möglichkeit ist für ein friedliches Zusammenleben in Europa. Fragen nach dem Nachfolger von Tusk als Präsident des Europäischen Rates, dem neuen Präsidenten der Kommission oder danach, wie die EU in der Entwicklung von künstlichen Intelligenzen mit China mithalten kann, sind noch offen. Aber das ist ja gerade das Schöne an der EU: Wir sind alle Teil des Umschwungs.
Lucy Müllenberg, Q1